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500 Jahre Reinheitsgebot (2)

Alle sind gleich, bayerische Herzöge sind ein bisschen gleicher.

 

Nach dem Urtext des Reinheitsgebots von 1516 soll nur Gerste, Hopfen und Wasser zur Bierherstellung verwendet werden. Man muss kein Brauer sein, um zu wissen, dass das nicht funktionieren kann.

Natürlich fehlt die Hefe, die aus der Würze erst das Bier werden lässt in dem Sie Zucker verstoffwechselt zu Alkohol und Kohlensäure. Unseren Altvorderen sei dies jedoch nachgesehen, da Mikroorganismen noch gänzlich unbekannt waren und das Mikroskop erst noch erfunden werden musste.

Etwas anderes stört dennoch – es wird explizit Gerste genannt. Mit Gerste selbst kann man ebenfalls nicht brauen. Man muss die Gerste erst in Malz verwandeln. Ein aufwändiger und nicht minder komplexer Prozess wie das Brauen selbst. Aber bestimmte enzymatische Vorgänge müssen ablaufen, bevor man überhaupt mit dem Brauprozess beginnen kann.

Craftbeer.de: Wilhelm IV von Bayern
Wilhelm IV. – Verfasser des Reinheitsgebots von 1516
Quelle: wikipedia.org

Man kann dies für spitzfindig halten und anführen dass der Beruf ja auch heute noch Brauer & Mälzer heißt und die beiden Zweige eng miteinander verwoben sind und waren. Aber anders als bei der Hefe kann man dies zu Beginn des 16. Jahrhunderts als bekannt voraussetzen.

Diese „Ungenauigkeit“ lässt hier einen gewissen Rückschluss auf die Intention des Erlasses zu: Weniger der Schutz des Bier-Konsumenten stand also im Vordergrund, als der Schutz bestimmter Getreidesorten wie Weizen vor dem Bierkonsumenten. Gerade das Weißbier (Weizenbier) erfreute sich immer größer werdender Beliebtheit. Zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Brot (vor allem aus Weizen) könnte eine solche Vorschrift durchaus Sinn machen.

Auch der letzte Absatz des Textes, in dem sich der Verfasser vorbehält bei Getreideknappheit das Brauen „zum allgemeinen Nutzen“ einzuschränken, weist eindeutig in diese Richtung.

Es war also nicht die Sorge um die Bierqualität, sondern um die Brotquantität, die zum Reinheitsgebot führte und Wilhelm IV. am Herzen lag!

Wir befinden uns noch ein paar hundert Jahre vor der Gründung des deutschen Reichs. Ergo galt das Reinheitsgebot zuerst einmal nur in Bayern. Nördlich der Donau war schon Schluss damit: 1548 erhielt der Freiherr von Degenberg von den bayerischen Landesherren das Privileg Weizenbier zu brauen – was er in Oberschwarzach dann auch fleißig tat. Das Reinheitsgebot war gerade einmal 32 Jahre jung.

Craftbeer.de: Maximilian I von Bayern
Wilhelms Enkel – Weissbiermonpolist seit 1602
Quelle: wikipedia.org

Als 1602 die Degenberger-Linie erlosch, fiel das Weißbier (Weizenbier) Monopol an den bayerischen Herzog – diesmal Maximillian I. zurück. Dieser zögerte nicht lange, übernahm die Weiße Brauhäuser und gründete weitere u.a. 1607 in Kelheim. Im gleichen Jahr übrigens wurde der Degenbergische Besitz bayerisch.

Unter anderem mit diesem Monopol saniert der Wittelsbacher den defizitären bayrischen Staatshaushalt. Nicht nur auf den Grundsatz des Großvaters zur Sicherung des Weizens für die Ernährung pfiff Maximilian I. Im ganzen Land wurden die Wirte verpflichtet Weizenbier auszuschenken, sonst drohte Ihnen der Entzug der Schankerlaubnis. Brachial, aber wirkungsvoll!

Das Weißbier-Monopol wurde erst nach rund 250 Jahren – am 06. August 1798 von Kurfürst Karl-Theodor aufgegeben, natürlich nicht das Weißbier!

 

Fassen wir zusammen:

  • 1516 Erlass Reinheitsgebot – Gerste fürs Brauen u. Sicherung der Ernährung.
  • 1548 Weißbier-Privileg – Weizenbier noch jenseits der Donau-Grenze
  • 1602 Weißbier-Monopol des bay. Landesherrn – Sanierung des Staatshaushalts

 

Fazit:
Heute hüh, morgen hott! Was der Fürst uns sagt kommt in den (Brau)Pott!
Das Reinheitsgebot ERNST genommen haben die Bayern also auch nie!

 

Prost!

Dieter Kann
Biersommelier