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MHD oder Möglichst Halbwegs Dumm

Mindesthaltbarkeitsdatum bei Bier

Das Mindesthaltbarkeitsdatum, kurz MHD, ist beim Bier keineswegs ein Indiz für die Frische des Bieres, es sei denn, man weiß genau welches MHD die Brauerei für Ihr Produkt vorgibt. Denn anders als weitläufig vermutet, wird das MHD vom Hersteller nach dessen eigenem Ermessen und nicht durch Behörden oder gar gesetzliche Vorschriften festgelegt. An einem Beispiel wird klar, dass das MHD damit absolut kein Indiz für die Frische eines Bieres darstellen kann:

Brauerei ABC gibt eine Haltbarkeit von nur 3 Monaten vor, Brauerei MNO gibt für ihr Produkt 12 Monate Haltbarkeit vor. Die Biere kommen zeitgleich in den Markt. Nach 2 Monaten kommen wir als Verbraucher in den Getränkemarkt und vergleichen. Bier ABC hat eine Resthaltbarkeit von 1 Monat, das Bier MNO ganze 10 Monate. Wer nicht eingefleischter Fan vom ABC Bier ist, wird beim gleichen Preis logischerweise das Bier mit der höheren Resthaltbarkeit auswählen.
Wir entscheiden genau so, wenn ABC ganz frisch im Regal steht und MNO schon 6 Monate Licht und Wärme ausgesetzt war, weil wir annehmen ein Bier mit 6 Monaten Resthaltbarkeit sei frischer als eines mit nur 3. Die kleine Brauerei mit den vermeintlich kürzeren MHDs hat hier die schlechteren Karten.

Warum ist die Einschätzung von Herstellern über die Haltbarkeit ihres Produktes so verschieden?

Dies liegt primär an den unterschiedlichen technischen Möglichkeiten und ist nicht zuletzt eine Frage der Unternehmenspolitik. Bei den technischen Möglichkeiten fallen Filtration und Abfüllung entscheidende Rollen zu. Je besser ein Bier filtriert wurde, desto länger ist es haltbar. Pasteurisation, also kurzfristiges Erhitzen des abgefüllten Bieres auf ca. 70 Grad Celsius tötet Keime und macht das Bier länger haltbar. Ob solche Verfahren eingesetzt werden ist dann primär eine Frage der Philosophie, denn lange haltbar heißt möglichst keimfrei und in gewisser Weise tot. Denn dass bei diesen Verfahren auch Geschmacksträger auf der Strecke bleiben, steht außer Frage. Je nach Bierstil kann es also besser sein, ein Bier mit kürzerer Haltbarkeit zu genießen. Leider kann der Verbraucher dies in der Regel nicht erkennen.

Ausnahme: Wenn die Brauerei neben dem Haltbarkeitsdatum auch das Abfülldatum angibt. Das tun allerdings nur sehr wenige Brauereien. Ein positives Beispiel hierfür ist die Private Weißbierbrauerei Georg Schneider & Sohn aus Kelheim (auch bekannt unter „Schneider Weisse“).

Die Haltbarkeit eines Bieres hängt natürlich auch von Bierstil, Alkoholgehalt und Hopfenzugabe ab. Hopfen hat bekanntlich eine sterilisierende Wirkung und somit einen positiven Effekt auf für die Haltbarkeit. Aber wie beim Wein, gibt es Biere, die erst nach zwei bis fünf Jahren Ihren vollen Charakter entfalten. In diesen Fällen fehlt den Brauern oft Mut und Risikobereitschaft wirklich lange Haltbarkeitsdaten anzugeben. Haltbarkeitsangaben von 10 und mehr Jahren sind denkbar (Beispiel Brauerei Gusswerk’s Krinnawible mit 14,5% Alkohol und einem aktuellen MHD bei 2025).

Eine italienische Brauerei hatte bei einem ihrer Biere als Haltbarkeitsdatum „Bis zum Ende der Welt“ angegeben. Leider war der deutsche Importeur nicht ganz so beherzt und überklebte die Angabe mit einem deutlich geringeren MHD.

Bei Milch, Eiern, Fleisch und Fisch sollte man auf das MHD sicherlich achten, wenn man keine gesundheitlichen Risiken eingehen möchte. Beim Bier braucht man bei weitem nicht so streng zu sein. Ein paar Tage oder Wochen drüber sind in der Regel kein Problem, vor allem wenn das Bier vorher kühl und dunkel gelagert wurde.

Ich persönlich bin der Ansicht, dass man sich statt auf das MHD lieber auf die eigenen Sinnesorgane verlassen sollte. Verdorbenes Bier ist unangenehm sauer. Man schmeckt man es sofort. An diesem Punkt bleibt dann nur noch der Ausguss. Selbst wenn man es vielleicht erst beim zweiten Schluck merkt, wird man nicht daran sterben.

Bei Gourmetbieren mit mehr als 8% vol. Alkohol habe ich allerdings schon mehrfach festgestellt, dass man die MHD Angaben sogar eine ganze Weile (MHD plus 12 Monate und mehr) überziehen kann. Ein Pils hat dann allerdings schon ganz lange die Flügel getreckt und ist in das Nirvana Cervisiae umgezogen. Insgesamt plädiere ich für Angabe von Abfüll- und Ablaufdatum, wie es Georg Schneider und einige wenige andere vormachen!