Auch die alten Germanen tranken ihr eigenes Bier. In bis zu 3500 Jahre alten keltischen und germanischen Gräbern wurden Gefäße gefunden, in welchen die Archäologen Reste von Bier nachweisen konnten. Während die griechische Kultur aufblühte und wieder versank, lebte man in Mitteleuropa noch recht „unzivilisiert“, was auch zur Folge hat, dass wir nicht nachvollziehen können, wann die Germanen mit dem Brauen begonnen haben, denn es gibt schlichtweg keinerlei schriftliche Aufzeichnungen unserer analphabetischen Vorfahren zum Beleg. Fest steht nur, dass sie neben dem aus vergorenem Honig hergestellten (und reichlich konsumierten) Met auch Bier in der uns bereits bekannten Art und Weise mit Hilfe von vergorenem Brot produzierten.
In der Bierkultur waren die Germanen jedoch weit fortgeschritten. Sie fanden heraus, dass es nicht notwendig war, Brot zu verwenden, sondern dass man die Getreidekörner keimen und trocknen lassen konnte. Dazu dienten primitive Darren, welche in ausreichender Höhe über den Feuerstellen angebracht waren. Das fertige Bier verbuddelte man (oder in diesem Fall, besser gesagt, Frau) in der Erde, damit es auch schön kühl blieb. Zudem entdeckten die Germanen, dass es sinnvoll war, die Bierwürze zu sieden oder zumindest zu erhitzen. Das wurde erreicht, indem entweder heiße Steine in den Bierkessel geworfen wurden oder man den Kessel selber durch ein Feuer heißmachte.
Der Bierkessel hatte eine fast mythische Bedeutung für die Germanen. In der Sage von Thor und Tyr erfahren wir, dass diese dazu gezwungen waren, dem Riesen Hymir einen gewaltigen Braukessel zu klauen, weil dummerweise der eigene Braukessel den Göttern vorher abhandengekommen war. Die beiden gingen nicht zimperlich zu Werke, töteten alle Riesen und brachten den gestohlenen Kessel am Himmelsgewölbe an, damit Götter und Helden für immer ihren Durst bei den großen Gelagen in Walhalla daraus löschen konnten. Seitdem können wir sicher sein, dass wenn der Himmel bewölkt ist, gerade wieder frisches Bier gebraut wird. Und sollte es donnern, dann hat sich Thor gerade mal wieder der Führungsaufgabe angenommen, den Braukessel zu putzen. Leider hat die Sage nicht überliefert, wo der alte Braukessel geblieben ist. Es wäre zu schön gewesen.
Hatten wir da gerade die griechische Kultur links liegen lassen? Kurz zurück zu ihr und zu Hippokrates, der Bier in seinen Schriften als „Gerstensud“ erwähnt und seine heilende Wirkung beschreibt, so bei Fieber und Schlaflosigkeit. Bei ihren vielen Reisen in fremde Länder hatten sie das Bier kennengelernt, unter anderem bei Besuchen in Kleinasien und auf dem Balkan bei den Völkern der Phrygier und Thraker. Als Heilmittel war Bier bei den Griechen und später bei den Römern beliebt, als Getränk wohl weniger. Bei den Griechen galt Bier als Getränk der armen Leute und schaffte nicht den Sprung in höchste Gesellschaftsschichten.
Die Römer sollten mit dem Bier jedoch noch Bekanntschaft machen, genauer genommen mit den Konsumenten von Selbigem. Für die Römer, die fast nur Wein tranken, war Bier ein abscheulicher Trank der Barbaren. Tacitus, der als Erster einen ausführlichen Bericht über die Germanen verfasste, schrieb: „Als Getränk haben die Germanen ein schauerliches Gebräu, aus Gerste oder Weizen gegoren, ein Gebräu, welches mit Wein eine sehr entfernte Ähnlichkeit hat.“ Bier hatte also gar nichts Vornehmes. Der hochgebildete Kaiser Julian spottete dem Bier mit den Worten: „Wein duftet nach Nektar, Bier aber stinkt nach Bock.“
Ave Caesar ! Morituri te salutant !
Julius Cäsar fand allerdings, dass Bier ein nahrhaftes und kräftiges Getränk sei, und so verwundert es nicht, dass er seine Truppen mit einer ausreichenden Menge an Bier versorgte. Als Cäsar den Fluss Rubicon im nördlichen Italien überschritt, um seinen Siegeszug quer durch Europa anzutreten, war demnach eine ganze Menge Bier im Spiel. Es ist auch bekannt, dass Cäsar seinen Gästen Bier in goldenen Pokalen servierte. Der Untergang des römischen Weltreichs bedeutete nicht den Untergang des Bieres – im Gegenteil – Bier war in ganz Europa etabliert. Zum Beispiel wurde während der 350-jährigen Besatzung von Britannien – in denen die schon legendären römischen Straßen angelegt wurden – auch eine ausreichende Menge von tabernae (Tavernen), geschaffen, die am Rand dieser Straßen gelegen, Bier verkauften – antike Autobahnraststätten.
Das Bier in der damaligen Zeit war kaum haltbar, trüb und schäumte so gut wie überhaupt nicht. Einige Jahrhunderte nach Christi Geburt war Bier in Deutschland eine gängige Handelsware. Belegt wird dies durch den Fund in der Nähe von Trier. Bei den Germanen galt das Bier nicht nur als Götteropfer, sondern wurde, wie bereits bei den Ägyptern, auch zum eigenen Verzehr gebraut und spielte in ihrem Leben eine wichtige Rolle. So sind in der finnischen Volksdichtung dem Bier zum Beispiel 400 (!!!) Verse gewidmet – für die Erschaffung der Welt reichten hingegen 200 Verse. Nach der Edda, dem großen nordischen Epos, war der Wein den Göttern vorbehalten, das Bier gehörte den Sterblichen und Met den Bewohnern des Totenreiches. Das Brotbacken und das Bierbrauen gehörten in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung eindeutig zu den Aufgaben der Frau.